1417-2017: Wiedergewinnung der materiellen kirchlichen Einheit durch die Papstwahl auf dem Konzil von Konstanz (1414 -1418)

(3. Teil) Spaltung und erste Versuche sie zu überwinden
Nachdem dreizehn französische Kardinäle die Ungültigkeit der angeblich erzwungenen Wahl Urbans VI. ausgesprochen und am 20. September 1378 in Fondi den Kardinal Robert von Genf als Clemens VII. (1378 – 1394) zum (Gegen)Papst erhoben hatten, unterstützt vom französischen König und von Königin Johanna von Neapel, war das große abendländische Schisma (1378 – 1417) ausgebrochen, das so schwer wieder rückgängig zu machen war und große Not über die Kirche brachte.
Clemens VII. konnte sich in Italien nicht lange halten, da er von den Truppen Urbans VI. besiegt worden war. Er begab sich deshalb 1379 nach Avignon. Dort waren mehrere Kardinäle und auch noch Teile der päpstlichen Verwaltung, so dass sich Clemens VII., auch durch die Ernennung weiterer Kardinäle, relativ leicht eine eigene Kurie aufbauen konnte.
Die Kirche hatte nun auf Grund der Uneinigkeit der Kardinäle praktisch zwei „Päpste“. Clemens fand Unterstützung durch den mit ihm verwandten König von Frankreich, wobei die Universität von Paris sich allerdings längere Zeit zurückhielt, aber auch Savoyen, die Heimat von Clemens, Neapel, Schottland, Dänemark, Norwegen, Navarra, Aragon und Kastilien, einige deutsche Gebiete und der größere Teil der habsburgischen Gebiete unter Leopold III. von Österreich schlossen sich ihm an.
Urban VI. konnte den Kirchenstaat für sich behaupten, aber auch Oberitalien, Kaiser Karl IV. und der größte Teil des Reiches hielten zu ihm, ebenso nach des Kaisers Tod dessen Sohn und Nachfolger Wenzel. Wegen des politischen Gegensatzes zu Frankreich stand auch England hinter ihm wie auch die östlichen und nordischen Reiche.
Die Lage war traurig und unübersichtlich, weil beide Päpste einander und die Anhänger des jeweiligen Gegners exkommunizierten. Es herrschte überall große Unsicherheit und Verwirrung, die kirchliche Spaltung drohte auch politische Gegensätze zu begünstigen, zumal auf der einen Seite vor allem Romanen, auf der anderen eher Germanen standen. Ordensgemeinschaften wurden wegen der Papstfrage oft regelrecht auseinander gerissen.
Auch innerhalb der einzelnen Länder war die Gefolgschaft nicht wirklich einheitlich, weil jeder der beiden „Päpste“ auf Erweiterung seiner jeweiligen Anhängerschaft bedacht war und somit versuchte, je nach Gelegenheit möglichst überall Ämter und Pfründen zu vergeben. Beiden Päpsten kam dies teuer zu stehen, da sie ja immer auch durch Zugeständnisse oder Zuwendungen ihre Anhänger werben mussten. Man kann sich vorstellen, wie sehr das Ansehen des Papsttums dadurch allgemein verdunkelt oder in Mitleidenschaft gezogen worden war!
Die Gefolgschaft der Päpste blieb auch nicht immer dieselbe. Als sich die Königin Johanna von Neapel von Urban VI. ab- und seinem Gegenpapst zuwandte, erklärte der Papst als Oberlehensherr sie für abgesetzt und belehnte den nächsten Verwandten, ihren Vetter Karl von Durazzo, mit Neapel. Dieser nahm mit päpstlicher Unterstützung zwar das Lehen in Besitz und setzte die Königin in Gefangenschaft, bis sie 1382 wahrscheinlich erdrosselt wurde. Aber bald schon wandte er sich als neuer König von Neapel von Urban wieder ab und belagerte ihn schließlich sogar in Nocera, nachdem er von ihm exkommuniziert worden war.
Als Urban schließlich im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen mit Karl von Durazzo von einer Art Verschwörung von Kardinälen erfuhr, die ihn offenbar wegen seines schwierigen Charakters unter Vormundschaft stellen wollten, wurden diese gefangen gesetzt und fünf von ihnen sogar hingerichtet. Das verstärkte natürlich nur den Widerspruch. Weitere Kardinäle kehrten ihm nun den Rücken.
Urban VI. war sittenstreng und einfach lebend, also eigentlich nicht weltlich gesinnt, gleichzeitig auch sehr geschäftsgewandt. Dennoch verlor er durch seine schroffe, aufbrausende, rücksichtslose und Beratung verweigernde Haltung viele seiner Anhänger, was möglicherweise das Schisma mitausgelöst hatte, wie schon dargestellt.
Als Urban VI. schließlich am 15. Oktober 1389 starb, wählten die verbliebenen Kardinäle der römischen Obödienz Bonifaz IX. (1389 – 1404), der zwar mit Neapel wieder ein gutes Verhältnis herstellen und auch in Rom und im Kirchenstaat seine Autorität festigen konnte, der sich aber kaum für die Beendigung des Schismas einsetzte. Wegen Begünstigung von Ämterkauf, wegen der Vetternwirtschaft und wegen der Erhöhung der Abgaben ist er kirchlich sicher auch kritisch zu beurteilen.
Überall suchte man in jenen Jahren nach Möglichkeiten, aus der Situation der Kirchenspaltung wieder herauszufinden. Besonders von der Universität von Paris kamen immer wieder Vorschläge. Man dachte darüber nach, auf dem Weg einer Synode oder eines Konzils (via synodi) die Einheit wieder finden zu können. Andere meinten, dass man besser beide Päpste vorher entweder zum Verzicht (via cessionis) oder wenigstens zur gemeinsamen Einsetzung einer Kommission bewegen sollte, durch die ein Kompromiss für das weitere Vorgehen gefunden hätte werden sollen (via compromissi).
Als der Papst von Avignon, Clemens VII., der sich all diesen Vorschlägen gegenüber ablehnend verhalten hatte, 1394 verstorben war, wählten die dortigen Kardinäle den bekannten spanischen Kanonisten und Kardinal Pedro de Luna, der den Namen Benedikt XIII. annahm (1394 – 1417). Er hatte sich bisher sehr für eine Einigungslösung durch Abdankung eingesetzt und auch seine eigene Bereitschaft dazu durch einen Eid zugesichert. Nach seiner Wahl aber bestand er nun auf einem Treffen (via discussionis) mit dem römischen Papst Bonifaz IX., vielleicht auch weil er insgeheim dachte, den Gegner durch geistige Überlegenheit zur Abdankung überreden zu können. Das führte dazu, dass die meisten Kardinäle ihn verließen und auch Frankreich sich 1398 (bis 1403) von ihm distanzierte, ebenso wie schließlich auch Kastilien und Navarra.
In Rom folgte indes auf den Tod von Bonifaz IX. Innozenz VII. (1404 – 1406) und danach Gregor XII. (1406 – 1415). Dieser hatte sich zunächst sehr für eine Lösung und für ein Treffen mit seinem Gegenspieler Benedikt XIII. in Savona eingesetzt, war dann aber wieder einer Begegnung ausgewichen, vermutlich wegen des Einflusses seiner Verwandten, die den Verlust ihrer Ämter und Würden befürchteten, und des Königs Ladislaw von Neapel, der im Fall einer Einigung um seine Herrschaft fürchtete; möglicherweise haben aber auch die Furcht vor Gefangennahme oder vor der geistigen Überlegenheit des Gegners ihn zurückschrecken lassen. Die meisten Kardinäle verließen ihn daraufhin.
Der Versuch eines Konzils
Die Spaltung währte schon drei Jahrzehnte, als Frankreich 1408 Benedikt XIII. den Gehorsam wieder entzogen und gleichzeitig auch „die alten Freiheiten der gallikanischen Kirche“ wieder verkündet hatte. Nachdem man in Frankreich dem Papsttum auch das Recht auf Stellenbesetzung und auf Besteuerung aberkennen wollte, suchten die beiden Kardinalskollegien endlich gemeinsam nach einer tragfähigen Lösung in dem verworrenen Konflikt. Man einigte sich schließlich, dass am 25. März 1409 zu Pisa ein allgemeines Konzil zusammentreten sollte, zu dem auch die beiden „Päpste“ eingeladen wurden.
Gregor XII. und Benedikt XIII. beriefen daraufhin jedoch ihrerseits jeweils selbst eine päpstliche Synode nach Cividale bzw. nach Perpignan ein, wo Benedikt nun residierte. Diese beiden Synoden blieben aber wegen der geringen Teilnehmerzahl bedeutungslos, während das Pisaner Konzil hingegen gut besucht war, obwohl es eigentlich nicht rechtmäßig, weil nicht von einem Papst, sondern nur von Kardinälen, einberufen worden war. (Es erschienen 24 Kardinäle, vier Patriarchen, über 80 Erzbischöfe und Bischöfe und ebenso viele Äbte, daneben auch Vertreter von über 100 Bischöfen und von über 200 Äbten, ebenso Vertreter von Fürsten und Universitäten und viele Doktoren der Theologie und des Kirchenrechtes.) Dies zeigt, wie sehr die Sehnsucht nach Einheit die Gemüter bewegte, aber auch, wie wenig man sich von den Päpsten noch erhoffte.
Man eröffnete die Versammlung mit einem Hinweis auf das Versagen der Päpste. Die Kirche hat die Synode von Pisa nicht als allgemeines Konzil anerkannt und auch der Idee einer grundsätzlichen Oberhoheit eines Konzils über den Papst klar widersprochen. Dennoch hat sie mit der Anerkennung des dann folgenden Konzils von Konstanz die Möglichkeit von gewissen Notstandmaßnahmen indirekt gebilligt. Der deutsche König Rupprecht sowie Fürst Karl Malatesta von Rimini legten Einspruch gegen die Rechtmäßigkeit eines solchen Konzils wie auch gegen die Absetzung von Gregor XII. ein. Dennoch wurden sowohl dieser als auch sein Gegenspieler Benedikt XIII. von Perpignan nach langen Verhandlungen als „Häretiker“ und „Schismatiker“ (hauptsächlich, weil sie die Einheit durch ihr Beharren im Amt aufs Spiel setzten) und am 26. Juni 1409 schließlich ein neuer Papst, Alexander V. (1409 –1410) von den anwesenden Kardinälen einstimmig gewählt. Dieser war geborener Grieche, weshalb man durch ihn vor allem auch eine Union mit der Kirche des Ostens erhoffte. Er war Theologieprofessor an der Pariser Universität, bevor er später Kardinalerzbischof von Mailand geworden war.
Doch die frohen Hoffnungen, die man durch dieses „Konzil“ geweckt hatte, zerschlugen sich bald. Man hatte zwar die Einheit durch eine außergewöhnliche und eigentlich gegen die Verfassung der Kirche vorgenommene Maßnahme zu erreichen gehofft, aber statt dessen war aus der „verruchten Zweiheit“ nur eine „verfluchte Dreiheit“ geworden, wie ein zeitgenössischer Schreiber vermerkte, auch wegen dieser Angreifbarkeit und der rechtlichen Unsicherheit der Unternehmung. Die dringend nötigen Beratungen zu einer Kirchenreform wurden ebenfalls auf eine andere Synode vertagt. Das Konzilsprojekt der Kardinäle hatte also nichts von dem vollbringen können, was man eigentlich erwartet hatte.
Spanien, Portugal und Schottland hielten weiter zu Benedikt XIII., König Rupprecht mit einem Teil der deutschen Fürsten, sowie Rom, Neapel und andere Gebiete in Italien blieben Gregor XII. treu, während vor allem England und Frankreich sowie der seit 1400 abgesetzte deutsche König Wenzel von Luxemburg mit den meisten deutschen Bischöfen und der übrigen Christenheit nun Alexander V. unterstützten. Dieser belehnte den aus einem Seitenzweig des französischen Königshauses der Valois stammenden Ludwig II. von Anjou mit Sizilien und konnte so mit dessen Hilfe Rom und den Kirchenstaat einnehmen. Nach seinem Tod im Mai 1410 wählten seine Anhänger Kardinal Cossa, der unter dem Namen Johannes XXIII. (1410 -1415) die Nachfolge von Alexander V. antrat. Weltlich gesinnt, ehrgeizig und skrupellos, war von ihm für eine Klärung der kirchlichen Notlage freilich kaum etwas Positives zu erwarten.
Viel Hoffnung erweckte indes der neue deutsche König Sigismund (1410–1437), der sich nach König Rupprechts Tod allerdings zunächst einmal noch mit einem Gegenkönig (Jost von Mähren) auseinandersetzen musste, aber nach dessen Tod 1411 allgemein anerkannt war. Günstig für ihn, auf Johannes XXIII. einzuwirken, war die Tatsache, dass Ladislaw, der König von Neapel, Rom und den Kirchenstaat erobert hatte und Johannes XXIII. nun sehr auf den Schutz des deutschen Königs angewiesen war. So konnte ihn König Sigismund bei einem Treffen in Lodi dazu bewegen, für den 1.November 1414 ein Konzil nach Konstanz einzuberufen. Dieser Plan drohte aber bald wieder zu scheitern, als König Ladislaw von Neapel im August 1414 starb und Johannes XXIII. Rom wieder für sich zu erobern gedachte. Doch seine eigenen Kardinäle drängten ihn nun entschieden, seine Zusage für das Konzil einzuhalten.
Johannes XXIII. musste also trotz einiger Besorgnis die Reise nach Konstanz antreten, wo er nach einer mühevollen Reise über den Arlbergpass, auf der auch seine Kutsche einmal umgestürzt sein soll, am Sonntag, den 28. Oktober 1414 eintraf. Eine Woche später, am 5. November, eröffnete er die Synode mit einem Hochamt im Münster, die schließlich als sechzehntes allgemeines Konzil (1414-1418) in die Geschichte eingehen sollte.

(Fortsetzung folgt)
Thomas Ehrenberger

 

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